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Journal of Olympic History Nr. 1/2021

Mit Beginn der Kirschblüte, die vom Südwesten aus die japanischen Inseln bis zum Nordosten zum Blühen bringt, wurde am 25. März mit einem Jahr Verspätung die Tokyo 2020 Olympic Torch Relay gestartet. “Hope Lights Our Way” lautet das Motto, das die Flamme von Fukushima auf ihrer Route durch alle 47 Präfekturen Japans begleiten wird.

Nun gibt es kein Zurück mehr! Der Countdown über 121 Tage, für den im Gastgeberland umfangreiche Hygienemaßnahmen getroffen wurden, stellt zweifellos eine enorme Herausforderung dar, bis schlussendlich am 23. Juli im neuen National Stadium von Tokio der Beweis erbracht werden kann, dass Olympische Spiele selbst unter den Bedingungen einer sich weltweit ausbreitenden Pandemie gefeiert werden können.

An Erfahrungen fehlt es der Olympischen Bewegung gewiss nicht. Sie hat zwei Weltkriege, denen drei Sommer- und zwei Winterspiele zum Opfer fielen, und mehrere politisch motivierte Boykotte überstanden. Die Spanische Grippe überschattete Antwerpen 1920, die Hongkong-Grippe Mexiko 1968. Es gab Epidemien wie den SARS-Virus (2010) oder zuletzt – 2016 – Ebola. Auch in der Corona-Pandemie heisst der Ausweg Testen und Impfung.

Was die olympische Geschichte betrifft, so sollte man angesichts der aktuellen Probleme dennoch ein Jubiläum nicht vergessen. Gemeint ist die olympischen Premiere in Athen vor 125 Jahren, von denen außerhalb Griechenlands die Menschen oftmals erst nach Wochen und Monaten erfuhren – zumeist durch die begeisterten Berichte einiger weniger Teilnehmer.

Wieviel Mut, Optimismus und Abenteuerlust gehörten wohl damals dazu, auf eigene Kosten in ein Land an der Peripherie Europas zu reisen und bei einem Event an den Start zu gehen, das IOC-Gründer Pierre de Coubertin Olympische Spiele genannt hatte, um diesen den „Nimbus der Größe und des Ruhmes“ zu verleihen und sie somit unter den Schutz des klassischen Altertums zu stellen? An einen dieser Olympioniken, den sudentendeutschen Straßenradsportler Anton Gödrich, erinnert Volker Kluge in dieser Ausgabe des Journal of Olympic History.

Während in diesem Sommer in Tokio die Hälfte der Teilnehmer weiblich sein werden, waren 1896 in Athen nur Männer zugelassen. Ganz im Sinne seiner Kaste hielt Coubertin den Frauensport für unpraktisch, uninteressant, sogar für unanständig. Sein Ideal blieb das feierliche Auftreten der männlichen Athletik „mit dem Applaus der Frauen als Belohnung“. Es war eine 17-jährige Engländerin namens Helen Preece, die sich mit diesen Barriere nicht abfinden wollte. Sie meldete 1912 für den Modernen Fünfkampf, der erstmals in Stockholm ausgetragen wurde. Spätestens hier ahnt man, dass ihr Antrag abgewiesen wurde, was ihr dennoch einen Ruhmesplatz in der Geschichte des Frauensports einbrachte. Erstmals wird ihre Biographie in dieser Ausgabe anhand bisher unveröffentlichter Memoiren und Familiendokumente erzählt. Autoren sind der ehemalige Moderne Fünfkämpfer Tom Lough, der 1968 im US-Team an den Olympischen Spielen teilnahm, sein Sohn Kyser und Professor Kevin B. Witherspoon.

Eine andere Pionierin, die olympische Geschichte schrieb, ist die ungarische Jüdin Ágnes Keleti. Sie überlebte den Holocaust mit einer falschen Identität, und sie bewies danach viel Ehrgeiz und Geduld, um sich noch als reife Frau von 35 Jahren ihren olympischen Traum zu erfüllen. Mit vier Gold- und zwei Silbermedaillen im Turnen wurde sie 1956 in Melbourne erfolgreichste*r Teilnehmer*in. Ágnes Keleti 100 – eine wahre „Jahrhundertgeschichte“, die der ungarische Journalist und Buchautor Dezsö Dobor erzählt.

Mit einem vierten Teil schließt San Charles Haddad seine Serie „Rise of the Reich in Mandate Palestine“ ab, in der er die Verbindungen des Jerusalemer YMCA mit der Nazi-Partei aufdeckte. Der Autor des Buches „The File. Origins of the Munich Massacre“ (Post Hill Press 2020), in dem er die olympische Geschichte von Israel und Palästina recherchierte, beleuchtet in diesem Zusammenhang auch die widersprüchliche Rolle der deutschen Kirchen, die diese bei den Olympischen Spiele 1936 in Berlin spielten.

Teil zwei der olympischen TV-Geschichte, deren Autor der Doyen des IOC, Richard W. Pound, ist, beginnt mit Tokyo 1964. Diese Spiele stellten auf technischem Gebiet einen Meilenstein dar, denn zum ersten Mal gab es transkontinentale Fernseh-Übertragungen. Vier Jahre später wurden die Spiele in Mexico City vollständig in Farbe ausgestrahlt, und 1972 hieß es dann „TV total“. Was für eine grandiose Entwicklung!

Die „Fernsehspiele“ sind seitdem Realität, und auch diesmal wird es trotz Corona für Milliarden Menschen möglich sein, die Wettkämpfe am Bildschirm mitzuerleben.

Sicherlich wird diesmal vieles anders sein. Ob es aber die „traurigsten Spiele aller Zeiten“ werden, wird vor allem von den 11,000 Teilnehmern abhängen, wie sie mit der Olympischen Idee, die Völkerfreundschaft, Solidarität und Fairplay erfordert, umgehen. Tokyo 2020 könnte ein Lichtblick werden, der die Hoffnung auf das Licht am Ende des Tunnels stärkt.
Zuletzt bearbeitet 08.06.2021 11:45 Uhr